Manfred Mayerle

Kunstgottesdienst

zur Kunst Manfred Mayerles

Predigt: Michael Lenk, Pfarrer in Vilsbiburg

 

Liebe Gemeinde,

kunstvoll feiern wir bald jeden Gottesdienst. Auf uns wirkt der architektonisch geprägte Raum, wir machen Musik und hören zu, wir singen vertonte Dichtungen. Choräle. Wir blicken auf das eine oder andere Kunstwerk.

Einen Gottesdienst ohne Kunst kann ich mir gar nicht vorstellen. Egal, ob wir am Bett eines Kranken in seinem Zimmer Gottesdienst feiern, oder oben auf einem Berggipfel oder im Speisesaal eines Industriebetriebs. Spätestens wenn eine Person singt oder einen verdichteten Text rezitiert, ist die Kunst da. Mit ihr kann Gottesdienst gefeiert werden.

Gott ist gegenwärtig. Ach, So? müssen wir darüber überhaupt reden? Im Gottesdienst ist Gott doch selbstverständlich da, Gott. Der Dichter Gerhard Tersteegen hält es zumindest für sinnvoll, Gott anzukündigen. Gott ist gegenwärtig. Wie ein Herold ruft er Gott in unsere Gegenwart. So wird Gott der Rede wert.

Der Dichter schützt Gott vor der Banalität des Selbstverständlichen.

Gott ist gegenwärtig

lasset uns anbeten

der angekündigte Gott kommt ins Gespräch, in unser Gebet. Lasset uns anbeten, mit diesem Satz kommt Leben zwischen Gott und mir, meine Freude und mein Jubel paaren sich mit stillen Momenten, ich schweige und höre, es geht mir das Herz über. Gott ist gegenwärtig und ich darf so vielfältig sein wie ich es bin oder noch gar nicht für möglich halte. Ich verstehe mich neu.

Gott ist gegenwärtig, lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten. Verhandelbar wird Gott dabei nicht, auch nicht der Erfüllungsgehilfe zur Umsetzung meiner Träume und Wünsche. Er bleibt frei, um zu gehen und erneut zu kommen. Ehre wem Ehre gebührt. Und so bringt  jeder Gottesdienst neu eine Farbe, ein Gefühl, einen Klang, einen Satz von Gott. So bleibt mir Gott lebendig und wird nicht selbstverständlich.

Die Kunst Manfred Mayerles ist in der Christuskirche prominent da. Im Blick darauf lassen sich unterschiedliche Gedanken fassen. Vielleicht irritiert ein Eindruck, dann staune ich. Das Werk gefällt mir oder nicht. Ich frage mich, ob es bleibt, oder nur heute da ist…?

Sie merken, ich folge dem Dreischritt des Dichters Tersteegen: Akzeptieren der Gegenwart des Kunstwerks, nachdenken, Austausch und respektvoller Blick darauf. Sehe jeder selbst.

Manfred Mayerle hat die Christuskirche in Vilsbiburg maßgeblich neu gestaltet. Ein fachlich wie menschlich wunderbarer Prozess hält über die Einweihung vor zwei Jahren bis heute an.

Da sitzen Menschen in der Kirche in Vilsbiburg und schauen und entdecken und freuen sich. Sie ziehen Energie aus dem roten Bildobjekt und senken auch ihren Kummer in das große Bildobjekt an der Wand hinein.

Diese Kunst würdigt ihren Betrachter.

Dabei integriert der Künstler Manfred Mayerle nicht nur das Erhabene und Großartige, sondern arbeitet ganz bodenständig, im Sinn des Wortes bodenständig.

Der Altarraum unserer Christuskirche musste neu mit Steinfliesen belegt und strukturiert werden. Die unterschiedlichen Fliesenspiegel vermittelten gegensätzliche und überraschende Eindrücke. Ein Vorschlag führte zB zu dem Eindruck, der Altar würde die Stufen herunterschwimmen. Also entstand  darüber eine breite Diskussion: Wo ist die Mitte rechnerisch und optisch, wie müssen die Fugenlinien aufeinander zugehen usf. Drei Architekten und ein Fliesenleger und ich als Pfarrer hatten eine Lösung gefunden. Doch wir hatten unsere Rechnung ohne Herrn Mayerle gemacht. Als er dann kam und unseren Vorschlag betrachtete, sagte er freundlich aber bestimmt, dass es so nicht ginge. mit hohem kommunikativen Einsatz und hohem Zuhörvermögen ist es ihm dann gelungen eine Lösung zu finden, die letztlich von allen anerkannt und gutgeheißen wurde. - An manchen Tagen gehe ich auf die Empore der Christuskirche und sehe von oben auf den Fliesenspiegel des Altarraumes und freue mich an den klar verlaufenden Linien der Fugen, der Brechungen und wie alles doch ein ruhiges und unaufgeregtes Gesamtbild ergibt. Ja, dieses Bild der Linien finde ich wunderschön, es leuchtet mir ein.

Ich bin ein kunstfreudiger Mensch, mir fehlen die Begriffe und das kunstgeschichtliche Wissen, um von der Kunst theoretisch zu berichten. Eines aber habe ich vom ersten Tag der Bekanntschaft mit dem Künstler Manfred Mayerle vor Augen und das hat mit den Linien des Fliesenspiegels im Altarraum der Christuskirche in Vilsbiburg zu tun. Es ist die Genauigkeit, die sich in der Freude an der Linie zeigt, die Genauigkeit, mit der der Künstler die Achsen und Linien des ganzen Bauwerkes mit erfaßt.

Kunst kann über Genialität, Schöpferkraft, Ekstase und vieles mehr  laufen, all das gehört zum Künstler Manfed Mayerle dazu. Für mich aber ist die Genauigkeit die Quelle der Schönheit dieser Kunst, die mich nicht überfordert, sondern mitnimmt, Tag für Tag.

Den Wert der Genauigkeit für die Kunst hat einmal der Filmemacher Michael Haneke so herausgestellt:  In einem Interview sagte er: „Ich kann enthusiastisch sein, um der Schönheit einer Sache willen. Ich kann aber auch enthusiastisch sein, um der Genauigkeit willen. Die oberste Tugend der Kunst ist die Genauigkeit. …Das Maß des künstlerischen Werts ist die Genauigkeit und darin liegt pure Lust… Ich glaube, dass Genauigkeit per se beglückt.“

Wie kommt es zur Schönheit, die sich lustvoll aus der Genauigkeit ergibt? 

Manfred Mayerle berichtet von seinen allmorgendlichen  Zeichenübungen. Etüden.

Organisten arbeiten immer neu am geläufigen Spiel, Fingersätze werden geändert und neu überlegt, damit die Stücke überhaupt erst spielbar werden.

Die Genauigkeit dient der Schönheit. Diese Einsicht reicht hinüber zu Dichtern und deren Manuskripten, zu Übersetzern, die treffend und genau die Worte wägen und wählen. Jeder weiß, dass  genaue Arbeit das Ergebnis verbessert, in der Sprache Michael Hanekes: In der Genauigkeit liegt die pure Lust.  

Ein prominentes Beispiel dafür, dass Genauigkeit sich lohnt, will ich noch nennen.

Wir haben dieses Jahr die Jahreslosung so mitgeteilt bekommen:

Jesus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Joh 6,37. Als ich den Satz zum ersten Mal hörte, war ich enttäuscht, frühere Jahreslosungen hatten so einen Kick auch Pepp. Aber dieser Satz brachte so gar nichts Neues, irgendwie kamen mir die Worte banal vor. Jesus als Menschenfreund, das ist irgendwie selbstverständlich. Damit wollte ich mich aber nicht zufriedengeben. In meinem Johannesevangelium las ich dann den Satz so:

Jesus sagt: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen. Da geht es um Menschen, die schon einmal da sind, im selben Raum. Es geht um sie und mich. Jesus sagt, wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstossen. Das ist in der Sprache der Kunst erst einmal die einfache Linie.

Der Satz, die Linie, kommt ja von irgendwo her, der Raum, der Kontext: Alles, was mir der Vater gibt, das kommt zu mir; wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstossen.

Gott der Vater übergibt die Menschen an Jesus. Keiner soll verlorengehen und diesem väterlichen Heilswillen unterwirft sich Jesus uneingeschränkt. Aus diesem Raum des Heils fällt keiner heraus.

Wir sind wieder bei der Ehrfurcht vom Anfang angelangt. Jesus weist auf den Vater, um uns Hoffnung ins Leben zu machen. Keiner soll verlorengehen. Jesus hat diesen väterlichen Willen dokumentiert.

Amen

oder wenn Sie die Freude an der Kunst teilen: Genau!